Vereinschronik „Obst- und Gartenbauverein Gestungshausen“
Es war am Mittwoch, den 16. August 1869 als sich abends 18 Gestungshäuser Bürger in der jetzigen Gastwirtschaft von Erich Dötschel trafen, um den Landwirtschaftlichen Verein, den Vorgängerverein des Obst- und Gartenbauvereines zu gründen. Ziele waren laut den damaligen Statuten des Vereines:
- die Verbreitung von landwirtschaftlichen Kenntnissen
- das Kennenlernen von neuen Anbaumethoden und von neuen Früchten
- die Veranstaltung von neuen Bildungsvorträgen
- die Bereicherung des kulturellen Lebens
Hierzu einige Beispiele:
Im April des Jahres 1873 wurden Saatkartoffel (12 Pfund) angeschafft. Diese wurden an die Mitglieder verteilt mit der Aufforderung, den Ertrag im Herbst wieder an den Verein zurückzugeben. Der Ertrag war 137 Pfund.
Im Jahre 1874 wurden neue Gersten- und Hafersorten angeschafft. Auch wurden drei Pfund goldgelbe Walzenrüben mitbestellt. Die damaligen Lehrer an der Volksschule, Herold, Göhring, Kest und Engelhardt sowie der Pfarrer Sellmer hielten Vorträge über Tierfütterung, Bodenbearbeitung, die Zubereitung von Käse und sie brachten Geschichten aus den Zeitschriften „Die Gartenlaube“ und „Praktischer Wegweiser“ zu Gehör. Jährlich wurde ein großer Markt abgehalten. Im Februar 1874 wurde auf dem Pfarrhof hiesiges Vieh aufgetrieben. 18 Ochsen, 16 Kühe, 5 Färsen, 17 einjährige Stiere, 4 Kälber, 7 Hammel und 28 Junghammel kamen zum Verkauf.
In den Folgejahren wurde im „Oberen Tor“ eine Baumschule angelegt die nach wenigen Jahren in den „Schützengraben“ verlegt wurde. Der Baumwart Peter Liebermann mußte die Anlage in Schuß halten. Der Erlös der Baumschule hielt sich jedoch in Grenzen.
Von 1903 bis 1914 erlebte der Verein eine Blütezeit. Schulungen wurden durchgeführt, Ball- und Tanzveranstaltungen abgehalten, der Obstgarten war in Schuß. H. Bauer aus Kaulsroth kaufte in diesen Jahren auf einmal 40 Obstbäume. [Anmerkung: Kaulsroth wurde in den 60er Jahren dem Erdboden gleich gemacht und dabei wurden auch die Geshäuser Obstbäume gerodet.] In dieser Zeit wurden Wanderungen durchgeführt, Betriebsbesichtigungen standen auf dem Programm, bis 1914 der Erste Weltkrieg begann.
Protokoll des Vorsitzenden Johann Konrad Knauer vom 04. April 1919:
„Von 1914 bis 1919 blieb der Landwirtschaftliche Verein wegen des Krieges in Ruhe. Es waren Mitglieder ausmarschiert. Die Ernten der letzten vier Jahre waren ziemlich gut und wurden auch gut eingebracht. Auch wenn es dabei an Arbeitskräften fehlte. Es kam nichts von der Außenwelt herein nach Deutschland und wir waren bloß auf uns angewiesen, das Volk zu ernähren. Es wurde alles vom Communalverband beschlagnahmt und an die Bevölkerung verteilt, wo es sehr knapp herging und die Lebensmittel sehr in die Höhe gingen. Das Vieh und Schweine waren auch beschlagnahmt und wurden verteilt an die Heeresverwaltung und an die Bevölkerung, die nicht Selbstversorger waren.“
Der „Landwirtschaftliche Verein“ ruhte nach dem 1. Weltkrieg und der Pflanzgarten verfiel, weil kein Geld für die Pflege da war. Aber auch in der schwierigen Nachkriegszeit gab es wieder Idealisten unter den Einheimischen und den Zugezogenen in Gestungshausen, die den Gedanken der Pflege ihrer Gärten und Obstanlagen wieder aufnahmen.
So trafen sich am 15 Februar 1931 in der Gastwirtschaft Arno Dötschel Gestungshäuser Bürger zur Gründung des „Obst- und Gartenbauvereines“ Gestungshausen“. Der Verein glich dem ehemaligen „Landwirtschaftlichen Verein“, hatte jedoch andere Vorzeichen in der Zielsetzung. Viehzucht und Ackerbau hatten nicht mehr den Stellenwert. Die Zeit der Neugründung war eine arme Zeit. Viele waren arbeitslos, es war kein Geld in den Familien. Wie wichtig war es da, für eine ausreichende Ernährung etwas aus eigener Erzeugung aus dem Garten in den Kochtopf zu holen. In der Gründungsversammlung wurde man sich nach langer Diskussion einig über die Vereinsziele:
- Erhaltung der Gärten und Obstbäume
- Pflege der Geselligkeit
15 Bürger meldeten sich sofort an! Die Vorstandschaft hatte folgendes Bild:
Vorsitzender: Lehrer Berthold Weiß
Schriftführer: Hermann Dötschel III
Kassier: Anton Stumpf
Baumwart: Emil Knauer
Der Grundstein für den neuen Verein war gelegt, nun galt es die gesetzten Ziele in die Tat umzusetzen. Gleich im ersten Jahr wurden 9 Versammlungen abgehalten und an 2 Wanderveranstaltungen nahm man teil. Eine Dosenverschlußmaschine und eine Obstpresse wurden angeschafft. Zur Finanzierung gab man Anteilscheine aus. Eine Ausstellung mit im eigenen Garten erzeugtem Gemüse wurde auf die Beine gestellt. Am 18. Januar1932, in der ersten Jahresschlußversammlung, brachte der Kassier zu Gehör: 1.239,71 Mark Einnahmen und 1.231,80 Mark Ausgaben ergeben einen Gewinn von 7,91 Mark. Es ging aufwärts. Obstbaumpflege- und Veredlungskurse wurden durchgeführt. Auch an den Vogelschutz dachte man. Nistkästen wurden aufgestellt und Winterfütterungen durchgeführt. In diesen Jahren schon bis Kriegsbeginn wurden die Frauen mit in die Arbeit eingebunden.
Zweiter Weltkrieg
Zur ersten Jahresschlußversammlung nach dem Kriege lud Reimund Dötschel ein. Die amerikanische Militärregierung gab Reimund Dötschel, Franz Schulz und Anton Stumpf wieder die Genehmigung, den Obst- und Gartenbauverein Gestungshausen weiter zu betreiben. Die Arbeit im Verein war nicht weniger geworden. Es galt Ausflüge zu organisieren, denn man wollte ja auch sehen, wie es anderorts aussah. Der erste Ausflug ging in die Rosenau zur Besichtigung der Rosenbeete. Am 29. Januar 1951 übernahm Heinrich Motschmann die Führung des Vereines, alle Anderen blieben im Amt. Neben weiteren Ausflügen nahm man auch am Wettbewerb „Das schönere Dorf“ teil. Die liebevoll genannten „Rangenweiber“ säuberten von nun an die Rangen in Richtung Mitwitz und Sonnefeld. Man tat einiges für die Dorfverschönerung. Hecken anstatt Gartenzäune wurden angelegt. Das ganze Dorf half mit. Wir Gestungshäuser wollten unbedingt einmal Sieger bei „Das schönere Dorf“ werden!
Im Frühjahr 1966 bei der Generalversammlung des Vereines gab der Vorsitzende bekannt, daß die komplette Vorstandschaft aus Altersgründen zurücktritt. Es herrschte Betroffenheit unter den Versammlungsteilnehmern. Lassen wir den damaligen Schriftführer Franz Schulz zu Wort kommen:
„Mit diesem letzten Blatt (es war tatsächlich das letzte Blatt im Protokollbuch) und diesen letzten Zeilen endet die Tätigkeit des seit 1946 amtierenden Schriftführer Franz Schulz sowie des 1. Vorsitzenden Heinrich Motschmann, seit 1951 im Amt und seit der Gründung 1931 2. Vorsitzender, desgleichen des 2. Vorsitzenden Franz Köhn, seit 1951 im Amt und des Kassiers und Depotverwalters Anton Stumpf, der seit dem Wiedergründungsjahr 1931 die zwei Ämter leitete“
Aus diesen Zeilen wird deutlich, daß damals ein Generationswechsel notwendig war. An diesem Tag konnte keine neue Vorstandschaft für den Verein gefunden werden.
Bei der Generalversammlung am 01. Juni 1966 stand die Wahl einer neuen Vorstandschaft auf der Tagesordnung. Es wurden aus der Versammlung vorgeschlagen und gewählt:
1. Vorsitzender: Walter Schirmer
2. Vorsitzender: Karl Engelhardt
Schriftführer: Hilmar Jakob
Kassier: Werner Kestel
Somit war der Verein wieder mit Führungspositionen besetzt. Die junge Mannschaft ging daran, dem Vereinsleben neue Impulse zu geben. Die Bürgermeister drängten, im Wettbewerb „Das schönere Dorf“ wieder das Äußerste zu geben. Die Rangen wurden wieder neu bepflanzt, Vorgärten unter neuen Gesichtspunkten angelegt. Außerhalb der Ortschaft wurde die Klausenquelle neu gefaßt und zu einem sehenswerten Kleinod ausgebaut. Fast 1000 freiwillige Arbeitsstunden leisteten die Mitglieder.
Im Jahre 1973 nahm der Verein in Angriff, Gestungshausen zum „Rosendorf“ zu machen. 3.400 Rosen wurden im Dorf gepflanzt. Am Großen Teich entstand ein kleiner Rosengarten. Viele Arbeitsstunden und viel Geld wurden investiert. Leider blieb es uns verwehrt ein „Rosendorf“ zu werden. Im Jahre 1976 wurde die Stierwiese in Angriff genommen. Die gesamte Wiese wurde eingeebnet und angesät, Gehwege angelegt. In den folgenden Jahren gab es große Nistkastenaktionen, Obstbäume wurden gepflanzt, Streuobstwiesen gepflegt. Am Ortseingang entstand ein Staudenbeet und ein Handwerksbaum am Großen Teich wurde errichtet unter dem in jedem Frühjahr das Gestungshäuser Dorffest ausgerichtet wird.
Diese vielfältigen Aktivitäten unseres Vereines wurden erstmals 1976 belohnt. Der Obst- und Gartenbauverein Gestungshausen wurde zusammen mit Mannsgereuth als bester Verein Oberfrankens für die meisten Pflanzungen von Bäumen und Sträuchern geehrt. Eine große Keramikplakette war der Preis.
Unser Dorf soll schöner werden. Es hat geklappt! Die Kommission des Landkreises Coburg erkannt im Jahre 1978 Gestungshausen den Titel „Das schönere Dorf“ zu. In Form eines „Züedelsocks“ steht der Siegerbrunnen auf dem Dorfplatz in der Ortsmitte. Seitdem wird dieser Siegerbrunnen in der Osterzeit mit Girlanden und bemalten Eiern als „Osterbrunnen“ geschmückt.
Im Oktober 1993 wurde dem Verein eine weitere große Ehrung zu Teil. Der Ökologiepreis des Landkreises Coburg, verliehen durch den Bezirkstagspräsidenten Edgar Sitzmann, ging an den Obst- und Gartenbauverein Gestungshausen.
Neben diesen gärtnerischen und naturschützerischen Aktivitäten kam jedoch die Geselligkeit im Obst- und Gartenbauverein Gestungshausen nicht zu kurz. Große Ausstellungen wurden aufgebaut. Die beiden Säle in Gestungshausen wurden so hergerichtet, daß mancher Besucher nicht wußte, ob sie im „Botanischen Garten“ oder bei einem kleinen Ortsverein waren. Gäste und einheimische Besucher zollten dem Verein hierfür viel Lob und Anerkennung. Auf der großen Rosenschau bei Willi Fischer waren über 30.000 Rosen zu sehen. Die Rosen wurden teilweise in der Nacht aus Steinfurt/Bad Nauheim herbeigeholt.
Fast jedes Mitglied hat schon an einem der vielen vom Verein organisierten Ausflüge, sei es an Tagesfahrten oder Mehrtagesfahrten, teilgenommen. Große Gartenschauen wurde besucht. Es gab Fahrten nach Gais, Fulda/Schweinfurt, Oberpfalz, Frankfurt, Bundesgartenschau Stuttgart, Bundesgartenschau München, Dinkelsbühl, Saarbrücken Erfurt, Berlin, Kirrberg und noch einige mehr.
Im Jahre 1994 konnte der Obst- und Gartenbauverein Gestungshausen sein 125jähriges Vereinsjubiläum feiern. Aus diesem Anlaß wurde eine Kleingartenmesse mit großem Erfolg in der Gemeinschaftshalle abgehalten, bei deren Bau sich der Obst- und Gartenbauverein ebenfalls nach besten Kräften beteiligte.
Mit den Neuwahlen im Jahre 1998 ging eine Ära zu Ende. 32 Jahre lagen die Geschicke des Vereines in den Händen des 1. Vorsitzenden Walter Schirmer und stets an seiner Seite als 1. Kassier, Werner Kestel.
Neu gewählt wurden im Januar 1998 als 1. Vorsitzender Reiner Kestel und als 1. Kassier Klaus Wittman. Als deren Stellvertreter stellten sich nochmals Walter Schirmer und Werner Kestel zur Verfügung. Als Schriftführer wurde Siegfried Köhn bestätigt und als dessen Stellvertreter Heinz Stamm neu gewählt.
Die bewährte Arbeit der „alten“ Vorstandschaft wurde auch unter der neuen Führung weitergeführt. So gründete sich auf Initiative des 1. Vorsitzenden am 12. Februar 2003 von 17 Kindern und Jugendlichen eine Jugendgruppe des Obst- und Gartenbauvereines, die „Sockentaler Mistkäfer“. Die Leitung der Jugendgruppe übernahmen Antje und Andre´ Hartan.
Die Aufstellung des Osterbrunnens, die Pflanzung von Konfirmandenbäumen und die Durchführung eines Dorffestes unter dem Gewerbebaum wurden zu festen Institutionen. Der Verein führt alljährlich einen Ganztagesausflug und eine Kaffeefahrt mit den Senioren durch. Die Pflege von Grünflächen im Ortsbereich, der Schnitt der gepflanzten Obstbäume sowie der Unterhalt der angebrachten Nistkästen sind ständige Arbeiten des Vereines.
Im Jahre 2004 wurde zum 135-jährigen Jubiläum des Vereines nochmals eine Kleingartenmesse mit einer Obstschau mit überwältigendem Erfolg durchgeführt. Dabei wurde auch die Herstellung von Sauerkraut und Obstsaft demonstriert. Auf Grund der Möglichkeiten die unsere Gemeinschaftshalle bietet, ist der Obst- und Gartenbauverein auch immer wieder Gastgeber für Veranstaltungen des Kreisverbandes Coburg, wie zum Beispiel einem Multimediavortrag über Hawaii.
Derzeit sind 204 Männer, Frauen, Jugendliche und Kinder Mitglieder im Obst und Gartenbauverein Gestungshausen. Die Vorstandschaft hat sich seit den Neuwahlen im Januar 1998 nicht verändert.